Liebe Kolleginnen und Kollegen am USZ
Es ist ja wirklich verrückt, dass es einer ernsthaften Gesundheitskrise – eine weltweite Pandemie mit dramatischen Verläufen – bedarf, dass die in der Pflege arbeitenden Menschen endlich den Respekt und die Anerkennung erhalten, die sie schon lange und schon immer, seit Jahrzehnten, verdient haben.
Die Bevölkerung klatscht, die Politik klatscht mit; die Pflege wird zum Thema – wir, die aus der Pflege kommen und ihr die in der Pflege arbeiten – ich gehöre ja mittlerweile auch nicht mehr dazu – wir versuchen vorsichtig aufzuschnaufen. Obwohl die aktuelle Gesundheitssituation alles andere als zum Durchatmen ist, hoffen wir, dass es jetzt vielleicht vorwärts geht: Endlich besser Arbeitsbedingungen, weniger Belastung, genügend Personal und gerechte Löhne und die Anerkennung unserer Kompetenzen. Wann, wenn nicht jetzt, muss die Politik handeln. Aber was ist dahingehend wirklich passiert im vergangenen Jahr in der kantonalen und nationalen Politik? Nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts ausser weiterem Gerede und weitere Respektsbekundungen an Rednerpulten und in den Medien!
Kleines Beispiel gefällig?
Budgetdebatte im Dezember letzten Jahres im Kantonsrat: Viel Dankeschön für die Arbeit - Antrag auf eine minimale Anerkennung in Form von einer Einmalzulage: Abgelehnt!
Noch ein Beispiel?
Die Debatte um das neue Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetz für den Kanton Zürich im Mai diesen Jahres: Wir wittern von links-grüner Seite die Chance, endlich einen griffigen Artikel ins Gesetz zu schreiben; nämlich die Verpflichtung aller Spitäler, welche auf die Spitalliste wollen, mit den Sozialpartner einen GAV auszuhandeln. Um eben genau die Forderungen, für die ihr heute hier eintretet, endlich umsetzen zu können. Es wiederholt sich: Alle bürgerlichen und hellgrünen Liberalen nutzen erneut die Chance, um rührend zu danken, aber nichts zu tun.
Ein paar Voten gefällig aus dieser Debatte?
Redner der SVP: Ohne diesen GAV-Zwang gibt es freiere Vertragsverhandlungen, gibt es bessere Ergebnisse. – Aha?! Wer von euch, liebe Kolleginnen und Kollegen, hatte bei der Einstellung eine freie Vertragsverhandlung mit der Chefin oder dem Chef über Doppelte Zeitkompensation für Nachtdienst und doppelte Schichtzulagen, über den Ausbau der Krippenplätze und offene Krippen auch an Wochenenden und Feiertagen oder gar über einen höheren Lohn? Ich gehe davon aus, niemand.
Rednerin der GLP: Es ist unabdingbar, dass die Spitäler für das Personal attraktiv sein müssen. Der aktuelle Personalmangel in den Gesundheitsberufen erfordert keine Personalschutzmassnahmen, bei denen ihnen durch einen GAV eher ein Korsett angelegt wird. Hä? Welches Spital in diesem Kanton bewegt sich von sich aus in die Richtung für attraktivere Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal? Ja, der Markt der Marktgläubigen spielt eben halt doch nicht! Und so ging es die ganze Debatte über weiter, bis zu Abstimmung über diesen Artikel: Abgelehnt mit 101:66 – aber nochmals vielen Dank für eure Arbeit, bis zum nächsten Mal, Applaus.
Ihr fühlt euch nicht ernst genommen und politisch bewegt sich nichts, das ist leider nach wie vor Realität. Jetzt können wir aber noch auf die Bevölkerung hoffen, denn diese scheint euch langsam aber sicher verstanden zu haben und weiss, wie ernst es ist. Die Pflegeinitiative kommt dahingehend genau zum richtigen Zeitpunkt; die SRG- Umfrage spricht von 78% Zustimmung, sowas gab es seit 1993 nicht mehr - und auch wenn bis zu Abstimmung am 28.11. die Zustimmungsraten ggü. den Umfragen jeweils nochmals fällt: Es sollte reichen. Und das ist richtig so – wer nicht hören will, der muss spüren und das Parlament und der Bundesrat muss sich dann an die Arbeit machen!
Lasst euch nicht vom Gegenvorschlag blenden, der zwar wichtiges verspricht und auch bringen könnte, aber schlussendlich ein Pflästerli bleiben wird, um die bürgerliche Politik erneut wieder selbst zu beruhigen: Was bringen eine knappe Milliarde Investitionen in die Ausbildung, wenn die ausgebildeten Pflegefachleute zu 40% nach den ersten 5 Jahren wieder aus dem Beruf aussteigen? Das ist nicht nachhaltig, es braucht endlich Massnahmen um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und somit Massnahmen, frühzeitige Berufsausstiege zu verhindern und eine gute Pflegequalität zu sichern. Wir müssen und werden es schaffen.
Und noch was: Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung! Bleibt dran, auch nach gewonnener Initiative, verfolgt die Umsetzung der Initiative genau, organisiert euch, tauscht euch aus, kämpft weiter, denn es ist noch nicht vorbei. Das ökonomisierte Gesundheitswesen krankt an vielen Ecken und Enden. Ihr seid ein starker Player in diesem Gesundheitswesen, ihr habt die Kraft, rein von eurer Bedeutung her und Zahlenmässig. Denn die anderen tun es auch, seit Jahre erfolgreich – die Ärzt*innen, die Spitäler als Unternehmen, die Krankenversicherer, die Pharma - und ich wage zu sagen, nicht immer nur im Interesse der Patientinnen bzw. der Versicherten. Steht für euren wunderbaren Beruf ein – in der Politik, bei den Menschen und vor allem bei euch selber!