Wir sind erschöpft!

Die Rede von Nadine Constantin, Pflegefachfrau HF, dipl. Expertin Intensivpflege NDS, an der Personal-/Protestversammlung vom 26. Oktober 2021 am USZ

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

Mein Arbeitsalltag als Intensivpflegefachfrau hat sich seit Beginn der ersten Covid-Welle verändert. Der Druck ist und bleibt enorm hoch. Immer häufiger gibt es Bettenengpässe und Personalmangel. Es werden fast täglich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesucht. Wir arbeiten neue Leute ein, aber genauso schnell kündigen andere wieder. Es scheint kein Ende der angespannten Situation im Gesundheitswesen in Sicht.

Inzwischen haben wir vier Wellen erlebt. Ein Drittel der Intensivbetten war mit ansteckenden Covid-Patient*innen belegt. Wir haben mit Schutzkittel, Schutzbrille und FFP2-Maske gearbeitet. Waren die Patient*innen in einem ausländischen Spital, müssen wir sogar doppelt isolieren, weil sie häufig multiresistente Bakterien mitbringen. Das heisst für uns, dass wir einen zweiten Isolationsmantel überziehen müssen, wenn wir ans Bett des Patienten, der Patientin treten.

Es ist heiss. Oft läuft die Brille an und wir sehen nur noch verschwommen. Rasch etwas zu trinken oder aufs WC zu gehen, ist nicht möglich. Dazu müsste uns jemand ablösen und wir müssten uns ausschleusen, also die ganze Schutzkleidung ausziehen und anschliessend neue wieder neue anziehen.

Aber auch die restlichen „normalen“ Betten sind zum Teil mit Covid-Patient*innen belegt, die nicht mehr ansteckend sind. Immer wieder werden Patient*innen in andere Spitäler ausgeflogen, Personal wird hin und her geschoben und jede*r hofft, die Schicht irgendwie gut zu überstehen.

Das Problem mit den knappen Betten hatten wir auch früher schon. Nur haben wir es jetzt praktisch täglich, in jeder Schicht. Alle sind froh, wenn es im letzten Moment doch noch irgendwie aufgeht. Wir versuchen immer noch alles möglich zu machen, was irgendwie geht.

Ich empfinde es als sehr belastend nie zu wissen, was mich erwartet, nicht zu wissen, ob wir genug Personal auf der Schicht sind, ob ich meiner Arbeit gerecht werden kann. Immer mit der Angst zu leben, mir könnte im Stress etwas entgehen, ein Fehler unterlaufen, der für den Patienten oder die Patientin schlimme Folgen hätte.

Spardruck im Gesundheitswesen und Personalmangel in der Pflege gibt es schon länger. Die Probleme wurden durch die Pandemie jedoch beschleunigt und vervielfacht. Die Mängel unseres Gesundheitssystems sind sichtbar geworden und doch wird nichts gemacht. Die Bevölkerung klatscht vom Balkon, auch die zuständige Zürcher Regierungsrätin, aber mehr geschieht nicht. Das stimmt mich sehr traurig.

Ich überlege mir immer wieder: Ist das noch der Job, den ich gerne weiter machen möchte? Sind mir Belastung und Stress, der steigende Druck, nicht zu viel? Kann ich weiter so arbeiten und dabei gesund bleiben, oder an welchem Punkt sollte ich mir eine andere Arbeit suchen? Kann ich es mir finanziell leisten, mein Pensum noch weiter zu reduzieren, um mich zwischen den Arbeitsblöcken besser erholen zu können? Wie lange mache ich das noch mit? Wie lange halte ich das noch aus?

Oder wann handelt die Politik endlich, damit wir unsere Arbeit weitermachen können, ohne selber krank zu werden. Darum unterschreibt unsere klaren Forderungen an die Spitaldirektion für bessere Arbeitsbedingungen am USZ.