Dafür haben sie Geld...

Das Zürcher Universitätsspital USZ spart beim Personal, gibt aber Millionen aus für Prestigeprojekte wie das neue Logo oder die Klinik am Flughafen Kloten. Der Blick berichtet.

Patientenjagd am Terminal:
Der Flughafen Zürich hat bald vier Spitäler

Das Zürcher Unispital will an den Flughafen Zürich, in den neuen Megakomplex The Circle. Auch die Universitätsklinik Balgrist und das Kinderspital Zürich mieten sich dort ein. Das Universitätsspital Zürich mietet sich auf acht Stockwerken ein. Auch das Kinderspital und die Klinik Balgrist machen mit. Und das, obwohl das Regionalspital Bülach mit dem Airport Medical Center bereits vor Ort ist.

Thomas Meier

Das Wettrüsten unter den Spitälern geht weiter. Kein gutes Zeichen für die Prämienzahler.

Für medizinischen Dichtestress am Terminal ist damit gesorgt. Und zwar ganz ohne Zutun der Politik, die nach Ansicht der Spitäler für die Konkurrenzsituation der vielen Kliniken im Land verantwortlich ist. Nächstes Jahr will das Zürcher Unispital ein weiteres grosses Gesundheitszentrum eröffnen – am Flughafen Zürich, im neuen Megakomplex The Circle. Auch die Universitätsklinik Balgrist und das Kinderspital Zürich mieten sich dort ein. Und das, obwohl das Regionalspital Bülach mit dem Airport Medical Center bereits vor Ort ist.

Auf der Homepage des neuen Gesundheitszentrums verspricht das Unispital «effiziente Behandlungen». Die Frage ist: Gilt das Gebot der Effizienz auch im Hinblick auf die Gesundheitskosten?

Denn die wachsen und wachsen. Für 2019 prognostiziert die Konjunkturforschungsstelle (KOF) einen weiteren Anstieg um satte 3,7 Prozent. Ein Kernproblem ist die medizinische Überversorgung in der Schweiz: Mehr Ärzte bedeuten mehr Leistungen. Und mehr Leistungen bedeuten mehr Kosten.

Ohne das Unispital hätte man das Circle-Projekt nicht gestartet

Dennoch klagen die Spitäler landauf, landab über stetig wachsende Defizite, die sie ebenfalls der Politik anlasten. Wieso setzt das Universitätsspital Zürich ausgerechnet mitten in dieser aufgeheizten Debatte auf Expansion? Und warum zieht das Unispital überhaupt an den Flughafen?

Der Circle, ein milliardenteures Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum, ist ein imposanter Gebäudekomplex. Im Herbst 2020 wird die Anlage eröffnet. Auf acht Stockwerken mietet sich das Unispital ein: 11'000 Quadratmeter für ein neues Gesundheitszentrum mit Tageskliniken, Sprechstunden und diversen Ambulatorien. Mehr als 350 Ärzte, Pflegefachleute und Spezialisten sollen sich um täglich 1000 Patienten kümmern.

Dieselben acht Etagen wurden auch der Hirslanden-Gruppe und dem Regionalspital Bülach angeboten. Beide sagten ab. Sie können die hohen Mietkosten von 1400 Franken pro Quadratmeter nicht stemmen. Wie viel das Unispital bezahlt, will dort niemand verraten. (Anmerkung VPOD: Man rechne... 11'000 Quadratmeter x 1400 Franken = 15,4 Millionen Franken Miete pro Jahr. Selbst mit einem grosszügigen Rabatt sind es sicher noch über 10 Millionen. Kein Wunder behauptet das USZ, kein Geld für eine faire Lösung der Umkleidezeit zu haben!)

Es handle sich um eine Verlagerung der Hälfte des ambulanten Geschäfts, sagt Mediensprecherin Barbara Beccaro. «Wir schaffen damit den dringend benötigten Rochaderaum, der für die bauliche Erneuerung des Universitätsspitals im Zentrum von Zürich fehlt.» Das Wort Rochade bedeutet so viel wie Positionswechsel auf einem Spielfeld. Etwas ketzerisch liesse sich aber auch behaupten: Das Unispital mietet sich im Circle ein, damit dieser überhaupt gebaut werden kann. «Ohne das Unispital als Mieter von acht Stockwerken hätte man das Circle-Projekt nicht gestartet», meint der SP-Nationalrat und Arzt Angelo Barrile (42).

Neben dem Regionalspital Bülach und dem Unispital, dem Kinderspital und dem Balgrist im Circle bieten in der näheren Umgebung auch noch die auf Orthopädie spezialisierte Adus-Klinik in Dielsdorf und das Ärztezentrum des Kantonsspitals Winterthur im Glattzentrum medizinische Leistungen an.

Eine Kooperation wäre nötiger denn je

Ist diese Konzentration sinnvoll? «Nein», sagt Gesundheitspolitiker Barrile. «Anstatt sich zu ergänzen, konkurrenzieren sich die Spitäler. Das treibt die Gesundheitskosten weiter in die Höhe – ohne einen qualitativen Mehrwert für die Patientinnen und Patienten.»

Der Vorwurf, mit dem neuen Gesundheitszentrum ein kostentreibendes Überangebot zu produzieren, lag schon zu Projektbeginn in der Luft. Deshalb betonte das Universitätsspital in seinem Baugesuch: «Kooperation mit Gesundheitsdienstleistern aus der Region führt zu Synergien.»

Doch die Pläne für eine Zusammenarbeit mit dem Regionalspital Bülach wurden nicht realisiert. Zu den Gründen will sich das Unispital nicht äussern. Rolf Gilgen (60), CEO des Spitals Bülach: «Natürlich wäre eine Kooperation gerade jetzt nötiger denn je. Aber unsere Vorstellungen decken sich nach wie vor nicht.» Sehr glücklich wirkt Gilgen ohnehin nicht über den neuen Nachbarn. «Die medizinische Grundversorgung am Flughafen war bisher ausreichend abgedeckt.»

Der Wettbewerb verschärft sich

Was bedeutet das sich abzeichnende medizinische Überangebot für den Prämienzahler? Josef Dittli (62), Präsident des Krankenkassenverbandes Curafutura: «Grundsätzlich besteht mit der Eröffnung eines zusätzlichen ambulanten Angebots in dieser Grössenordnung die Gefahr einer Mengenausweitung, wenn medizinisch unnötige Leistungen erbracht werden und eine Überversorgung der Patienten stattfindet. Das hätte negative Konsequenzen für die Prämienzahler.»

Der medizinische Dichtestress im Circle ist ein Symptom der Entwicklung im Schweizer Gesundheitswesen: Der Wettbewerb verschärft sich. Die Spitäler rüsten auf. Die Gesundheitskosten wachsen weiter. Und: Die Prämien steigen.

Patientenjagd ohne Grenzen

Der Konkurrenzkampf unter den Spitälern ist voll entbrannt. Manche gehen regelrecht auf Patientenjagd. So wie das Universitätsspital Zürich. 2020 eröffnet es im neuen Megakomplex The Circle am Flughafen Zürich ein stattliches Gesundheitszentrum. Acht Stockwerke, 11'000 Quadratmeter. Und das, obwohl das Regionalspital Bülach bereits mit dem Airport Medical Center präsent ist.

Klar: Das Einzugsgebiet ist gross. Und im Circle kann das Unispital ausländische Patienten direkt am Terminal in Empfang nehmen. Inzwischen gibt es überall auf der Welt etablierte Einrichtungen, die auf Medizintouristen spezialisiert sind. Ob sich so die hohen Mieten im Circle bezahlen lassen, bleibt abzuwarten.

Viel wahrscheinlicher ist: Hier entsteht ein durch Patientenjagd erzeugtes medizinisches Überangebot. Und das in einem solidarisch getragenen Gesundheitswesen, für dessen Kosten Steuer- und Prämienzahler aufkommen. Doch die können ein Wort mitreden. Indem sie sich nicht jagen lassen und nicht jede Untersuchung in Anspruch nehmen, die gerade angepriesen wird.

Bringen Sie ihr einwandfreies Auto jede Woche in die Werkstatt? Natürlich nicht. Schliesslich kostet das etwas. Medizinische Untersuchungen kosten auch. Und der Arzt findet garantiert irgendetwas mit lateinischem Namen, das er dringend zu behandeln empfiehlt. Aber längst nicht alles, was lateinisch klingt, ist lebensbedrohlich. Und häufig verschwindet ein «Hustus Maximus» auch ganz von alleine.

Quelle: Blick