Schon kurz vor Weihnachten konnten wir vermelden, dass die Stadt Zürich eine Regelung im Personalgesetz festschreibt, nach der betrieblich verordnetes Umkleiden als Arbeitszeit anzurechnen ist. Die NZZ berichtete vom Entscheid des Stadtrates am 14. Dezember 2019 und schreibt von zwei "Umsetzungsmodellen", die zur Verfügung stünden:
In der ersten Variante wird die zusätzlich anfallende Arbeitszeit mit einer Erhöhung der bestehenden Pensen aufgefangen. Damit gehen Mehrkosten einher, welche die Stadt jährlich auf «mehrere Millionen Franken im tiefen zweistelligen Bereich» beziffert. Das zweite Modell ist kostenneutral: Der Arbeitszeitbedarf für andere Verrichtungen wird reduziert, unter dem Strich arbeiten die Angestellten also nicht länger.
Weiter: Die Gewerkschaft VPOD lehnt die in der zweiten Variante empfohlene «Verdichtung» der Arbeitszeit kategorisch ab. «Gerade im Pflegebereich ist das Personal bereits jetzt stark unter Druck. Die Umkleidezeit muss mit zusätzlichen Stellenprozenten kompensiert werden», sagt MichMe Dünki-Bättig. (--> Artikel in der NZZ hier lesen).
Auch in den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Graubünden geht es vorwärts. Vorbildlich ist dabei die Lösung am Kantonsspital St. Gallen insofern, als dass hier nicht irgendeine pauschale Zeitabgeltung zum Tragen kommt, sondern die reale Arbeitszeit erfasst wird:
«Arbeitsbeginn und Arbeitsende werden bei den betroffenen Mitarbeitenden am Kantonsspital St. Gallen künftig in den Garderoben erfasst», sagt Mediensprecher Philipp Lutz im St. Galler Tagblatt vom 13.12.2019 (--> hier lesen).
Im Kanton St.Gallen und im Thurgau wird dies ab Juli 2020 in sämtlichen öffentlichen Spitälern der Fall sein. Ab dann werden im Kantonsspital St. Gallen die Stempeluhren in der Garderobe stehen. Spitalsprecher Lutz: «Die Spitäler anerkennen, dass angeordnetes Umkleiden als Arbeitszeit zu gelten hat.»
Wichtig ist die St.Galler-Lösung deshalb, weil sie mit dem Arbeitsgesetz konform ist und die Arbeitszeit korrekt erfasst: von Beginn der Arbeit (Eintreffen in der Garderobe) bis Ende der Arbeit (Verlassen der Garderobe nach dem Dienst). Demgegenüber versuchen verschiedene Spitäler im Kanton Zürich immer noch, sich mit Lausbubenstücken aus der Affaire zu schmuggeln. Die Spitäler Limmattal und Bülach beispielsweise wollen Pausen, die bisher meist nicht bezogen werden konnten, nun endlich geben. Das ist gut und wichtig, denn der Stress in der Pflege und im Gesundheitswesen allgemein verlangt nach Pausen zur Erholung. Je nach Rechtsgrundlage sind diese Pausen sogar vorgeschrieben. Nur: Mit der Umkleidezeit hat das absolut gar nichts zu tun. Pausen sind Pausen und Umkleiden ist Umkleiden. Der VPOD hält am Grundsatz fest, dass die Arbeitszeit korrekt zu erfassen ist. Stempeluhren (oder modernere Systeme, die es längst gibt) sind da ein effektives Instrument, die tatsächliche Arbeitszeit zu doumentieren, wie es das Arbeitsgesetz vorschreibt. Der VPOD wird diesen Grundsatz vertreten und verteidigen - wenn nötig bis vor Bundesgericht.
Und nur noch, um es klar zu machen: Es geht nicht nur um die Pflege und nicht nur um das Gesundheitswesen, sondern um alle Branchen und Berufe, die sich im Betrieb umkleiden müssen. Und es geht auch nicht nur um das Umkleiden, sondern um alle zur Arbeit gehörigen Tätigkeiten, die in der Arbeitszeiterfassung dokumentiert sein müssen. Dazu gehört auch der Weg in die Garderobe. Die Arbeitszeit beginnt gemäss Definition der Arbeit im Arbeitsgesetz bei Betreten des Betriebsgeländes. Ab dann liegt es nicht mehr bei den Arbeitnehmenden, wie effizient (oder ineffizient) die Wege und Abläufe sind. Gerade in einem riesigen Spital wie dem Universitätsspital Zürich USZ mit all seinen Baustellen und ständig neuen Garderobestandorten kann der Weg zur Garderobe lang sein. Auch hier werden wir dafür kämpfen, dass die Ineffizienz des Spitals nicht auf Kosten des Personals geht.
Wir bleiben dran.