Normalität! Zu welchem Preis?

Von: Roland Brunner, Sekretär VPOD Sektion Zürich Kanton

Ab Montag, 27.4.2020, werden die Corona-Massnahmen schrittweise aufgehoben und die Normalität soll wieder hergestellt werden. Normalität? Wohl kaum.

Wir alle wünschen uns wieder Normalität. Aber eine Normalität in Sicherheit, nicht eine Normalität der Angst und Verunsicherung - oder des so Tuns, als ob es kein Problem mehr gäbe. Den Wirtschaftsvertretern und einigen Parteileuten kann es aber nicht schnell genug gehen mit der Lockerung der Schutzmassnahmen. Schluss mit all diesen Einschränkungen! Geschäfte auf, Büros auf, Normalität her! Wir wollen wieder Rendite einfahren! Auch in Spitälern können wieder alle Operationen durchgeführt werden. Auch sie müssen halt rentieren.

Dabei ist klar: Die Lockerung der Schutzmassnahmen wird zu einer Zunahme der Neuansteckungen führen, denn wir haben noch für längere Zeit keinen Impfstoff gegen Covid-19. Normale Schutzmasken bieten - wenn sie denn richtig verwendet werden - ihrem Gegenüber einen gewissen Schutz, wenn Sie selber infiziert sind. Sonst nichts. Und die Tests sind weiterhin so unsicher und die Resultate so unklar, dass sie uns vorläufig auch nicht weiterhelfen. Auch ob Erkrankte anschliessend immun sind (und allenfalls für wie lange) ist weiterhin unklar. Aber das nehmen bürgerliche Politiker und Wirtschaftsvertreter alles in Kauf. Alles scheint besser als der Shutdown, auch Kranke und Tote. Was das für Angestellte im Gesundheitswesen heisst, beschreibt eine VPOD-Kollegin so:

Bei uns wurden zusätzliche Covid-Stationen eröffnet. Dafür wurde IPS-Personal von unserer Station abgezogen. Wir bekamen dafür Hilfe von OP, Abteilung, Ehemalige, Aushilfe, Temporäre und MedizinstudentInnen. 12 Stunden Dienste mussten nicht eingeführt werden. Aber es ist eine herausfordernde Zeit. Vor dem Dienst werden Vorstellungsrunden gemacht und wir schreiben auf den Iso-Kittel Namen und Funktion, denn die meisten Leute kennt man nicht und muss doch eng zusammen arbeiten.
Wenn der normale Betrieb wieder los geht, werden uns die vielen Hilfen fehlen. Es wird wieder mehr IPS Pat (Postoperative) geben und ich weiss noch nicht, wie wir das machen sollen. Viele von uns haben ihr Pensum erhöht. Aber wie lange geht das noch? Bis jetzt ist noch kein Ende in Sicht.

Diese "Normalität" bedeutet für Angestellte im Gesundheitswesen also eine Rückkehr zu den alten Problemen gepaart mit neuen:

  • Alles Vorherige muss wieder gemacht werden, in alter Unterbesetzung
  • dazu kommt der Nachholbedarf bei allen Behandlungen und Operationen, die wegen Corona nicht gemacht werden konnten respektive herausgeschoben wurden,
  • und es gibt weiterhin Covid19-PatientInnen auf Intensivstationen, in Alters- und Pflegeheimen usw.
  • und wir erleben wohl schon bald eine zweite Welle wegen der Lockerung der bisherigen Massnahmen.

Es ist zu befürchten, dass mehr und mehr Angestellte im Gesundheitswesen erschöpft aufgeben werden und den Beruf verlassen. Damit das nicht geschieht, müssen die Löhne und Arbeitsbedingungen deutlich verbessert werden.

Wer noch nicht unterschrieben hat: Hier geht es zum offenen Brief an Regierung und Gesundheitsbetriebe - für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen.