Frau Rickli, reden Sie mit uns!

Applaus reicht nicht. Die Angestellten im Gesundheitswesen wollen und brauchen mehr. Und sie haben mehr verdient!

Das Schreiben des VPOD an Regierungsrätin Rickli und die Reden der heutigen Kundgebung finden Sie unten zum Herunterladen.

Mehr als 500 Personen (524 online registriert) – ein Vielfaches mehr als erwartet – haben heute Nachmittag in Zürich an einer Menschenkette vom Universitätsspital USZ zur Gesundheitsdirektion teilgenommen und klargemacht: Es muss endlich etwas geschehen! Ein starker Absender der Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen, aber bisher kein Empfänger.

Die Menschenkette, organisiert vom Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD und unterstützt von der Gewerkschaft Syna, stand im Rahmen der «Aktionswoche für das Gesundheitspersonal», die am Samstag in Bern mit einer Kundgebung endet. Um 16 Uhr besammelten sich vor dem Universitätsspital gegen 500 Leute. Marita Baumgartner, Fachexpertin Pflege und VPOD-Mitglied in der Personalkommission des USZ, begrüsste die «Kolleginnen aus dem USZ und aus anderen Spitälern und Kliniken, Heimen und Spitex und die Unterstützer*innen, die heute mit uns einstehen für bessere Arbeits- und Anstellungsbedingungen im Gesundheitswesen». Sie hielt fest:

«Unser aller Herz schlägt für die Gesundheit. Jeden Tag geben wir unser Bestes, um Menschen zu retten, um sie zu pflegen und zu umsorgen. Immer wieder gehen wir dabei an unsere eigenen Grenzen – oder auch darüber hinaus. Die Situation im Gesundheitswesen ist in normalen Zeiten schon angespannt. Es fehlt an Personal, es fehlt an Zeit, es fehlt an Geld, damit wir unsere Arbeit so ausführen können, wie wir es gelernt haben und wie wir es machen wollen.»

Marita Baumgartner wies auf den Spardruck und konkrete Sparmassnahmen hin, die eine gute Pflege immer schwieriger machen:

Seit der Einführung der Fallpauschalen (DRG) ist Gesundheit eine Ware und Gesundheitseinrichtungen sind Unternehmen, die Gewinne erzielen müssen. Wir, die Angestellten im Gesundheitswesen, sind der grösste Kostenfaktor im Budget, aber wir sind es auch, die das Gesundheitswesen am Laufen halten. Trotzdem wird bei uns ständig gespart.

Den Anwesenden Pflegefachkräften aus dem Herzen sprechend konstatierte sie:

Unsere Arbeit heute entspricht immer weniger den Werten, die wir gelernt haben, für die wir uns engagieren wollen und Jahr für Jahr verlassen tausende Fachkräfte wegen unbefriedigenden Anstellungs- und Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen ihren erlernten Beruf. Damit muss endlich Schluss sein! Gesundheit ist keine Ware, sondern ein Gut, das es zu schützen gilt.

Als Forderung an die Verantwortlichen in der Politik und im Management gerichtet, verlangte Marita Baumgartner im Namen aller Anwesenden:

  • Verhindern Sie, dass das Schweizer Gesundheitssystem krank gespart wird: Sorgen Sie für eine ausreichende Finanzierung des Gesundheitswesens! Die Gesundheit von Patienten, Patientinnen und Personal darf nicht dem Spardruck geopfert werden.
  • Helfen Sie uns, mit einem verbindlichen Personalschlüssel und Skill-Grade-Mix Leben zu retten und Kosten zu sparen! Der Pflegewissenschaftler Prof. Dr. Simon und der Ökonom Michael Gerfin haben mit ihrer Studie bewiesen: Genügend gut qualifiziertes Personal rettet Leben und spart Gesundheitskosten in Millionenhöhe.
  • Sorgen Sie für mehr Ausbildungsplätze, damit in Zukunft genügend qualifiziertes Fachpersonal zur Verfügung steht!
  • Überprüfen Sie das Lohnsystem und die Pikettentschädigungen! Ermöglichen Sie, dass Mitarbeitern, die eine Lohnerhöhung verdienen, diesen auch gewährt werden kann.
  • Sorgen Sie für bessere Arbeitsbedingungen, ermöglichen Sie familienverträgliche Dienstplanung und Schichteinteilung! Sorgen Sie dafür, dass Arbeitszeiten (inklusive Umkleidezeit), Pausen und Ruhezeiten - nicht nur auf dem Papier - sondern auch in Wirklichkeit eingehalten werden.
  • Optimieren Sie die Organisation auf den Abteilungen, damit wieder eine verbindliche Dienstplanung möglich ist. Dienst auf Abruf, das heisst ständiges kurzfristiges Einspringen oder Absagen von geplanten Diensten, soll wieder die absolute Ausnahme, statt die Regel sein.

Unter strenger Einhaltung der Schutzmassnahmen (Maskenpflicht, zwei Meter Abstand) stellten sich die Anwesenden dann im Gänsemarsch zur Menschenkette auf Richtung Gesundheitsdirektion – viele mit ihren eigenen Forderungen und den Forderungen, die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli übergeben werden sollten. Diese war jedoch laut Mitteilung ihres Sekretariats «nicht verfügbar», um die Forderungen entgegenzunehmen und mit den Anwesenden zu reden. Im Begleitschreiben zu den von über 3100 Personen unterzeichneten Forderungen gratuliert der VPOD Regierungsrätin Rickli zu ihrem Auftritt in der Arena des Schweizer Fernsehens und stellt sich hinter ihre Forderung nach griffigen Pandemie-Massnahmen. Der VPOD lädt Regierungsrätin Rickli ein, diese Forderungen mit dem Personal gemeinsam durchzusetzen, hält dann aber fest:

Als Gesundheitsdirektorin des Kantons Zürich liegt es in Ihrer Kompetenz und in Ihrer Verantwortung, die Rahmenbedingungen der Gesundheitsversorgung festzulegen – und damit auch die Rahmenbedingungen für das Personal. Die laufende Revision des Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetzes SPFG würde dazu einen optimalen Anlass bieten und der VPOD hat im Rahmen der Vernehmlassung ganz konkrete Vorschläge gemacht, wie dies geschehen könnte. Leider sind Sie bisher nicht auf diese Vorschläge eingetreten.

Michèle Dünki-Bättig, Copräsidentin des VPOD Zürich und SP-Kantonsrätin, konstatierte denn auch in ihrer Ansprache vor der Gesundheitsdirektion:

Im Frühjahr haben in der ganzen Schweiz Menschen auf den Balkonen für die Angestellten im Gesundheitswesen geklatscht und so versucht, Wertschätzung und Dank für die geleistete Arbeit auszudrücken. Und wo stehe wir heute? Mit zwei Metern Abstand und maskiert vor der Gesundheitsdirektion – weil ausser Klatschen leider nichts passiert ist! Und weil die zuständige Regierungsrätin Nathalie Rickli kein Interesse an einem direkten Gespräch mit dem Volk hat, das ihre Partei im Namen ständig beschwört. Sie will weder mit den Angestellten im Gesundheitswesen noch mit eurer Gewerkschaft reden. Es ist schon sehr heuchlerisch, dass der Austausch mit Spitaldirektoren und Heimleitungen gepflegt wird, unsere Anliegen sie aber anscheinend nicht interessieren. So müssen wir unsere Forderungen halt lauter und mit mehr Nachdruck platzieren.

Und sie forderte:

Die Politik darf keine Zeit mehr vergeuden: Der vielbesungenen Solidarität mit den Menschen im Gesundheitspersonal müssen nun Taten folgen. Frau Rickli, setzen sie sich ein für bessere Arbeits­bedingungen und Löhne – und bieten Sie Hand zu einer ehrlichen Zusammenarbeit mit dem Ge­sundheitspersonal und seiner Interessenvertretung, den Personalverbänden und Gewerkschaften. Sorgen Sie dafür, dass das Gesund­heitspersonal auch auf Gesetzesstufe endlich die Anerkennung und Bedeutung bekommt, die es verdient! Taten statt Worte, Verbesserungen statt Applaus, das ist, was das Gesundheitspersonal braucht. Dafür stehen wir heute hier, das fordern wir ein. Und wir werden wieder kommen – bis die Forderungen gehört und erfüllt werden. Frau Rickli, reden Sie mit uns!

So geordnet und kontrolliert, wie die Kundgebung begonnen hatte, so wurde sie darauf auch aufgelöst – mit dem dringlichen Aufruf:«Denkt daran, auch auf dem Heimweg: Schützt euch und schützt andere!»

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