Seit Herbst 2018 fordert der VPOD laut und deutlich wahrnehmbar, dass betrieblich verordnetes Umkleiden als Arbeitszeit zu erfassen und anzurechnen ist. Diese Forderung ist heute rechtlich kaum mehr bestritten. Vom Seco über den Zürcher Regierungsrat bis zu praktisch allen Expert*innen für Arbeitsrecht haben alle den Grundsatz bestätigt, dass die Umkleidezeit als Arbeitszeit gilt, wenn sich jemand aus hygienischen oder anderen Gründen im Betrieb umziehen muss. Einige Betriebe haben diesen Grundsatz seither in der einen oder anderen Form umgesetzt. Das Personalamt des Kantons Zürich hat vor kurzem ebenfalls eine Richtlinie erlassen, wonach dies so zu handhaben ist.
Grundlage für die Forderung des VPOD ist das Arbeitsgesetz und die ihm zugrundeliegende Definition von Arbeit. Art. 13 ArGV 1 verlangt, dass die Zeit, in welcher sich jemand zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss, als Arbeitszeit gilt. Gemäss Wegleitung des SECO gilt insbesondere auch die Umkleidezeit als Arbeitszeit, wenn das Tragen von entsprechender Kleidung im Interesse oder auf Weisung des Arbeitgebers erfolgt.
Der Vollzug des Arbeitsgesetzes liegt bei den Kantonen (Art. 41 ArG). Die Oberaufsicht hat der Bund (Art. 42 Abs. 1 ArG). Im Kanton Zürich ist für den Vollzug des Arbeitsgesetzes das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) zuständig. Innerhalb des AWA übt das Arbeitsinspektorat die entsprechenden Vollzugsaufgaben aus (Verordnung zum Arbeitsgesetz vom 23. Oktober 2002, LS 822.1).
Trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung an das AWA und die Arbeitsinspektorate und einem entsprechenden politischen Vorstoss weigern sich AWA und Arbeitsinspektorate aber bisher, die korrekte Erfassung der Arbeitszeit zu überprüfen. Der Regierungsrat des Kantons Zürich hat in seiner Antwort auf die Interpellation aus dem Kantonsrat am 29. Januar 2020 geantwortet, das Arbeitsinspektorat prüfe die bei den Kontrollen zur Verfügung gestellten Unterlagen. Es überprüfe aber bloss das Total der geleisteten Stunden. Was in diesen deklarierten Stunden geleistet werde, und ob Umkleidezeit dabei auch erfasst werde, prüfe das Arbeitsinspektorat nicht. Dies sei Sache des Verhältnisses zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden (Beschluss des Regierungsrates vom 29. Januar 2021, KR-Nr. 371/2019).
Mit einer blossen Kontrolle, ob die aufgeschriebene Zeit den gesetzlichen Vorschriften entspricht, erfüllt das Arbeitsinspektorat seinen Auftrag in zweierlei Hinsicht nicht:
- Es besteht eine Pflicht, die gesamte Arbeitszeit zu erfassen (Art. 73 Abs. 1. lit. c ArGV1). Diese Pflicht des Arbeitgebers ist durch das AWA zu kontrollieren, ob die Erfassung korrekt erfolgte.
- Es kann nicht kontrolliert werden, ob die Höchstarbeitszeiten, die Ruhezeiten, die Pausen etc. korrekt eingehalten werden, wenn den gelieferten Zahlen einfach vertraut wird und nicht überprüft wird, ob diese Zahlen auch korrekt sind.
Weil AWA und Arbeitsinspektorat sich weigern, ihre Kontrollen vollständig durchzuführen, verletzen sie beharrlich ihre Vollzugsaufgaben. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste VPOD ist mit rund 35’000 Mitgliedern gemäss Art. 58 Arbeitsgesetz (ArG) ein beschwerdeberechtigter Verband. Mit seiner Aufsichtsbeschwerde an das Seco stellt der VPOD die Praxis von AWA und Arbeitsinspektoraten im Kanton Zürich in Frage und fordert das Seco auf, die Vorgaben des Bundes auch im Kanton Zürich durchzusetzen.
Markus Bischoff, Präsident des Gewerkschaftsbundes des Kantons Zürich GBKZ und Kantonsrat der AL, der als Anwalt den VPOD vertritt, meint: «Eine Kontrolle, welche darauf vertraut, die Unterlagen seien korrekt und nicht überprüft, ob die Zeiten richtig erfasst sind, ist zahnlos.»
Michèle Dünki-Bättig, Co-Präsidentin des VPOD Zürich und Kantonsrätin der SP, hält fest: «Der VPOD nimmt die Tatenlosigkeit des AWA nicht länger hin. Wir wenden uns ans SECO, damit der Missstand, dass Umkleidezeit in vielen Spitälern und anderen Betrieben immer noch nicht als Arbeitszeit gerechnet wird und die Angestellten hier Gratisarbeit leisten müssen, endlich ein Ende findet.»
Roland Brunner, zuständiger Sekretär beim VPOD Zürich, nimmt denn auch kein Blatt vor den Mund: «Die Arroganz von AWA und Arbeitsinspektoraten ist eklatant und inakzeptabel. Auch wenn das AWA mit Regierungsrätin Carmen Walker Späh in FDP-Hand ist, darf es nicht nur für die Arbeitgeber da sein, sondern muss auch die Rechte der Angestellten schützen.»
Die Aufsichtsbeschwerde des VPOD an das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco hier als PDF