Wir alle haben sicher schon von Unfällen auf Baustellen gehört, wenn ein Bauarbeiter vom Gerüst gefallen oder sonst zu Schaden gekommen ist. Solche Unfälle gibt es und sie sind tragisch. Aber in der Baubranche wird aktiv etwas für die Arbeitssicherheit gemacht - mit Sicherheits- und Aufklärungskampagnen, aber auch mit der Möglichkeit, sich als Bauarbeiter schon mit 60 pensionieren zu lassen - bei voller Rente. Entsprechend sind die Zahlen der Unfälle seit Jahren rückläufig.
Gemäss Statistik der Unfallversicherung UVG sank im Hochbau das Fallrisiko (Anzahl neu registrierter, anerkannter Berufsunfälle pro 1000 Vollzeitbeschäftigte) von 189 im Jahr 2010 auf 156 2019. Ein Rückgang von 21,2 Prozent! Die Anzahl Berufserkrankungen belief sich 2010 noch auf 175 pro 100'000 Vollzeitbeschäftigte. Per 2019 sank die Zahl um 49,4% auf 97! Die Anzahl entschädigter Tage nahm leicht zu von 392'624 2010 auf 448'172 2019.
Und im Gesundheitswesen? Man würde meinen, da sei das gar kein Problem, denn Leute, die sich um die Gesundheit der anderen kümmern, sorgen ja sicher auch für ihre eigene Gesundheit. Das Gegenteil ist der Fall! Die Statistik der Unfallversicherung zeigt die Entwicklung:
- Das Fallrisiko stagnierte mit 67 im Jahr 2010 und 66 im Jahr 2019.
- Die Anzahl von Fällen mit Taggeldzahlung stieg aber von 11 pro 1000 Vollzeitbeschäftigte 2010 auf 13 2019 (+9,7%).
- Die Anzahl schwerer Unfälle (Unfälle mit mehr als 90 entschädigten Tagen, Invaliden- oder Todesfallrente) stieg von 105 pro 100'000 Vollzeitbeschäftigte 2010 auf 122 im Jahr 2019. Eine Zunahme von 11,2%!
- Erfreulicherweise sank aber die Zahl der Berufserkrankungen von 519 pro 100'000 Vollzeitbeschäftigte 2010 auf 283 im Jahr 2019. Ein Rückgang von 43,4%, fast so viel wie im Hochbau. Dass Covid-19 hier zu einer Umkehr führt, ist noch nicht statistisch belegbar, aber erste Daten weisen klar in diese Richtung.
- Die Anzahl entschädigter Arbeitstage stieg dramatisch von 77'067 im Jahr 2010 auf 122'232 im Jahr 2019 (+ 59%!!!)
Für 2020 und das laufende Jahr liegen bisher noch keine Zahlen und Auswertungen vor. Auf eine Anfrage im Nationalrat hin teilte die SUVA, bei der nur ein sehr kleiner Teil der Gesundheitsbetriebe versichert ist, allerdings bezüglich der Anzahl Berufskrankheiten (BK) mit:
Bis 2019 wurden in den Suva-versicherten Betrieben des Gesundheitswesens jeweils ca. 300 BK-Fälle pro Jahr beobachtet. (...). Im Jahr 2020 registrierte die Suva bei den Suva-versicherten Betrieben des Gesundheitswesens ca. 1400 BK-Fälle. Die Suva geht davon aus, dass diese zusätzlichen ca. 1100 BK-Fälle auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sind.
Es ist klar, dass auch in der Unfallstatistik die Fallzahlen im Gesundheitswesen seit Anfang der Pandemie massiv anwachsen - mit entsprechend massiver Zunahme der anfallenden Kosten. Die Sendung Kassensturz auf SRF hat am 28. September Fälle von Long Covid bei Angestellten im Gesundheitswesen dokumentiert. Obwohl der VPOD seit Anfang der Pandemie vom Bundesrat fordert, Covid-Erkrankungen im Gesundheitswesen zu erfassen und auszuweisen, fehlen entsprechende Erhebungen.
Fazit: Die Arbeit im Gesundheitswesen ist gesundheitlich äusserst belastend und kostet die Unfallkassen entsprechend viel Geld. Die von den Sozialpartnern beschlossenen und umgesetzten Massnahmen in der Baubranche wirken. Entsprechende umfassende Massnahmen im Gesundheitswesen fehlen. Zwei erste und sofort wirkende Massnahmen, die der VPOD einfordert, wären:
- Die ständige Schicht- und Wochenendarbeit sowie die durch den Fachkräftemangel verursachte ständige Übernahme von Sonderschichten (Einspringen) ist gesundheitlich äusserst belastend und mit einem Arbeitspensum von 20 Stellenprozent zu vergleichen. Entsprechend müssen Angestellte im Gesundheitswesen bei einer 80%-Anstellung den vollen 100%-Lohn erhalten.
- Wie in der Baubranche muss Angestellten im Gesundheitswesen die Pensionierung ab 60 zur vollen Rente ermöglicht werden.
Die Gesundheit der Angestellten und die Stabilisierung unserer Gesundheitsversorgung erfordern dringend solche Massnahmen.