Die Volksinitiative «für eine Elternzeit» hat bei der bürgerlichen Mehrheit im Zürcher Kantons- und Regierungsrat einen schweren Stand. Die vorberatende Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (KSSG) hat sich mit 10 zu 5 Stimmen gegen das Volksbegehren ausgesprochen und folgte damit dem Antrag des Regierungsrates (RRB 536/2020). Nun verweigerte auch die Kantonsratsmehrheit sowohl der Initiative (mit 108:56 Stimmen) als auch dem Gegenvorschlag die Unterstützung.
Die Initiative der SP fordert eine Elternzeit von je 18 Wochen für jeden Elternteil. Seit Einführung des Vaterschaftsurlaubs Anfang 2021 haben arbeitnehmende Eltern in der Schweiz bei der Geburt eines Kindes Anspruch auf 14 Wochen Mutterschaftsurlaub und zwei Wochen Vaterschaftsurlaub.
Die bürgerliche Mehrheit in der KSSG und im Kantonsrat argumentierte mal wieder mit dem lieben Geld. Die Elternzeit bedeute eine Schwächung der Wirtschaftskraft des Kantons Zürich, eine Abnahme der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und sie verursache damit einen Schaden für den Wirtschafts- und Innovationsstandort Zürich. Wir verstehen: Laut Bürgerlichen ist die Elternzeit der Untergang des Kantons. Ein besonderes Trauerspiel bot wieder einmal die Grünliberale Partei GLP, die erst noch für Eintreten auf den Gegenvorschlag votierte, um diesen dann aber abzulehnen...
SP und Grüne wiesen dagegen darauf hin, dass Elternzeit der Diskriminierung von Frauen im Arbeitsmarkt entgegenwirke, sich positiv auf die Gesundheit der Kinder auswirke, die Mitarbeitendenzufriedenheit erhöhe und dem Kanton dadurch einen Standortvorteil verschaffe. Und dank der höheren Beteiligung beider Elternteile am Erwerbsleben könne die Elternzeit finanziert werden.
Weder Fisch noch Vogel war einmal mehr Die Mitte. Sie wollte dem Stimmvolk einen Gegenvorschlag unterbreiten. Dieser sieht vor, beiden Elternteilen je 14 Wochen Urlaub zu gewähren, wobei maximal vier Wochen gemeinsam bezogen werden können. Mütter seien eher bereit, nach dem Mutterschaftsurlaub ins Berufsleben zurückzukehren, wenn ihr Kind durch den anderen Elternteil während mindestens weiteren zehn Wochen zu Hause betreut würde. Gute Argumente, nur sprechen sie nicht gegen 18 Wochen, sondern dafür.
Esther Straub, Kantonsrätin der SP, vertrat das Geschäft im Kantonsrat und belegte ihre Argumente auch mit persönlicher Erfahrung. Sie hielt fest:
Es geht um Gleichstellung, werte Kantonsrät*innen – und leider scheinen in unserem Kanton Ausreden, Gleichstellung nicht umzusetzen, noch immer recht und billig.
Auch aus wirtschaftlicher Sicht spreche alles für die Elternzeit:
Nichts anderes als Gleichstellung will die Initiative, eine Gleichstellung, die unter dem Strich nichts kostet, sondern sich auszahlt: Für die Gebärenden, für die nichtgebärenden Elternteile, für Adoptierende, fürs Kindswohl und fürs Portemonnaie von allen. Denn ein einziges % mehr erwerbstätige Frauen finanziert steuerlich 18 bis 20 Wochen Elternzeit. Es werden aber mehrere Prozente mehr arbeiten, wenn die Gleichstellung endlich greift.
Entsprechend richtete sie den Apell an die Kantonsrät*innen, der Vorlage zuzustimmen:
Stärken Sie heute unseren Innovationsstandort mit der dringend nötigen Innovation der Gleichberechtigung der Elternteile, seien Sie fortschrittlich und lassen Sie Ihre patriarchalen Verhaftungen hinter sich. Freuen Sie sich auf glückliche Kinder und Enkelkinder, die in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft wohl umsorgt aufwachsen. Stimmen Sie unserer Initiative zu! (Das Votum von SP-Kantonsrätin Esther Straub hier als PDF)
Auch Andi Dauru, SP-Kantonsrat und Copräsident der Kantonalpartei, lieferte starke Argumente für die Elternzeit - und bediente sich dabei bei der GLP und ihren Wahlversprechen im Parteiprogramm.(Das Votum von Andi Dauru hier als PDF) Daran wollte die GLP aber nicht erinnert werden. Auf jeden Fall votierte sie dann gegen ihre damaligen Aussagen und lehnte sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag ab. Die NZZ kommentierte innert Minuten:
In Bundesbern verlangen die Grünliberalen je 14 Wochen Elternzeit für Väter und Mütter – im Zürcher Kantonsrat wollen sie davon nichts wissen. NZZ
Und die SP titelte in ihrer Medienmitteilung: "GLP schiesst Elternzeit ab." und zitiert Andi Dauru:
«Dass die GLP ihren Wählerinnen und Wählern eine Elternzeit verspricht und diese dann im Kantonsrat eigenhändig abschiesst, ist schon ein starkes Stück. In den letzten Wochen haben wir für die Elternzeit viel Zuspruch erhalten – auch aus dem Umfeld der GLP. Und hunderte Menschen aus dem ganzen Kanton haben bereits Fahnen und Kinderwagendreiecke bestellt. Das stimmt mich optimistisch. Gemeinsam setzen wir uns nun mit aller Kraft für ein Ja zur Elternzeit im Kanton Zürich ein!»
Die Stimmberechtigten im Kanton Zürich haben voraussichtlich im Mai nächstes Jahr die Gelegenheit, dem Kantonsrat eine Lektion zu erteilen und die Volksinitiative anzunehmen. Die Unterstützung des VPOD für diese Vorlage ist klar. Informationen und Argumente zur Volksinitiative «für eine Elternzeit» finden sich jetzt schon auf der Webseite des Komitees.