Umkleidezeit am Spital Bülach

Von: Roland Brunner, VPOD-Sekretär Sektion ZH Kanton

Der VPOD Zürich einigt sich mit dem Spital Bülach aussergerichtlich.

Und für die Kläger*innen sowie für alle Angestellten eine gute Lösung gefunden.

Mitte Dezember 2019 - vor fast genau drei Jahren - reichte Rechtsanwalt Markus Bischoff im Namen des VPOD für Mitglieder am Spital Bülach Klage ein, um ihr Recht auf eine Entschädigung für die Umkleidezeit der letzten fünf Jahre zu erstreiten. Eingefordert wurde eine Lohnnachzahlung für die nicht beglichene Arbeitszeit, denn als das muss Umkleiden gelten, wenn es auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb geschieht. Da vor dem Friedensrichter keine Einigung erzielt wurde, gelangte die Klage an das Arbeitsgericht (Bezirksgericht Bülach). Dieses gab der Argumentation von Rechtsanwalt Bischoff und damit der Klage und den Kläger*innen weitgehend recht und bestätigte die Forderungen. Sowohl das Spital als auch der VPOD reichten aber Berufung beim Zürcher Obergericht ein. Bevor die Verhandlung dort nun abgeschlossen wurde, haben sich der VPOD, die Kläger*innen und das Spital Bülach in einer aussergerichtlichen Vereinbarung geeinigt.

Das Spital Bülach und der VPOD halten in ihrer gemeinsamen Medienmitteilung fest:

Als Ergebnis dieser Gespräche konnte zwischen der Spital Bülach AG und dem VPOD sowie nach Rücksprache mit der Personalvertretung eine Lösung für die Zukunft gefunden werden, in welcher das Thema Umkleidezeit im Sinne aller beteiligten Akteure angemessen berücksichtigt wird und die Verfahren vor Obergericht einvernehmlich abgeschlossen werden.

Im Sinne dieser Lösung wird die Spital Bülach AG die notwendige Umkleidezeit künftig ab 1. März 2022 mit einer monatlichen Pauschale von Fr. 75.- oder Fr. 900.- pro Jahr für ein volles Pensum abgelten (ausgenommen Kaderlöhne über Fr. 130'000.- pro Jahr) und die Regelung der Kaffeepausen wieder auf den bisherigen Stand vor 2020 zurückführen. Mitarbeitenden, welche dieser Gesamtlösung im Rahmen einer Ergänzung des Arbeitsvertrags zustimmen, wird zudem die Pauschale rückwirkend ab 1. Juli 2021 ausbezahlt.

Der VPOD hat die Kläger*innen aktiv in die Entscheidungsfindung einbezogen. Ein erstes Angebot des Spitals wurde von ihnene als ungenügend zurückgewiesen und auch beim zweiten Angebot musste nachgebessert werden. Am Schluss war die Zustimmung zum Verhandlungsresultat aber einstimmig und die Rückmeldungen auf das Zustandekommen sehr positiv: "Wow, ein Meilenstein!", "Ein schönes Weihnachtsgeschenk!" oder "Das ist ja wahnsinnig toll!" lauteten einige Kommentare. Hier einige Statements von Kläger*innen:

Auch wenn ich in der Zwischenzeit pensioniert bin, freut es mich zu erfahren, dass wir - dank VPOD - einen Schritt weiter gekommen sind im Erarbeiten resp. Durchsetzen eines berechtigten Anliegens des Pflegepersonals.

Ich freue mich riesig über den Erfolg. Ich hoffe, dass mit unserer Klage das Thema Umkleidezeit aktuell bleibt und ich wünsche mir, dass die Umkleidezeit bald in den Arbeitsverträgen integriert wird.

Wir Kläger*innen haben das Ganze nicht nur für uns selber gemacht, sondern für alle, die sich im Spital Bülach umziehen müssen - und wir hoffen, dass der Prozess am Arbeitsgericht Bülach auch als deutliches Zeichen ist an alle Arbeitgeber im Gesundheitswesen, endlich die Umkleidezeit zu vergüten. Der VPOD hat immer wieder das Gespräch angeboten, um eine aussergerichtliche Lösung zu finden. Aber erst mit der neuen Leitung im Spital kam Bewegung in die Sache. Sie ist auf den VPOD zugegangen - als die Klage bereits am Obergericht eingereicht war. Es hat sich sehr gelohnt, zusammenzustehen und solidarisch zu sein - mit Hilfe von RA Bischoff und Roland Brunner.

Vielen herzlichen Dank dem VPOD für das Erkämpfen dieses Erfolges. Ich arbeite inzwischen nicht mehr am Spital Bülach, aber wenn es dort möglich wurde, dann sicher auch bei meinem jetzigen Arbeitgeber.

Mit unserem gemeinsamen Erfolg zeigen wir auf, dass wir etwas erreichen können. Wir müssen nur wollen. Das ist gerade jetzt vor der Abstimmung über die Pflegeinitiative umso wichtiger. Meine Tochter hat gerade ihr Studium zur diplomierten Pflegefachfrau KJFF (HF) abgeschlossenen. Ich möchte, dass sie viel bessere Arbeitsbedingungen hat als ich selber je hatte, damit sie mit Freude in diesem Beruf bleiben kann und nicht frühzeitig aufhört. Ich bin seit über 40 Jahren im Beruf als Anästhesie- und Intensivpfleger. Vielen Dank und: Wir müssen dran bleiben.

Auch Roland Brunner, der zuständige VPOD-Sekretär der Sektion Zürich Kanton, der die Kampagne "Umkleiden ist Arbeitszeit!" im Herbst 2019 lanciert und seither vorangetrieben hat, zieht eine positive Bilanz der Vereinbarung mit dem Spital Bülach:

Ohne den Mut und das Engagement einiger VPOD-Mitglieder am Spital Bülach wäre das nicht möglich geworden. Sie haben es gewagt, die Umkleidezeit vor Gericht einzuklagen - und sie haben Recht bekommen. Dass sie jetzt eine Entschädigung für diese Arbeitszeit der letzten Jahre erhalten, dass aber auch für alle anderen Angestellten am Spital Bülach die Umkleidezeit in Zukunft entschädigt wird, zeigt einmal mehr, wie richtig und wichtig unsere Forderung ist. Das Resultat in Bülach ist ein wichtiger Erfolg für den VPOD und für die Kolleg*innen. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel. Immer noch verweigern viele Betriebe die Entschädigung der Umkleidezeit. Immer noch wird sie nicht regulär als Arbeitszeit erfasst. Immer noch leisten die meisten Angestellten im Gesundheitswesen vor und nach dem Dienst auch über das Umkleiden hinaus undokumentierte und damit unbezahlte Arbeit (Einlesen, Dokumentieren usw.). Immer noch weigert sich das Arbeitsinspektorat zu kontrollieren, dass die Arbeitszeit in den Spitälern korrekt erfasst wird. Die Aufsichtsbeschwerde des VPOD gegen die Arbeitsinspektorate und das Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA unter der FDP-Regierungsrätin Carmen Walker Späh ist seit April dieses Jahres bei der Geschäftsleitung des Kantonsrates hängig und eine Antwort steht immer noch aus. Es bleibt also noch viel zu tun, bis der Grundsatz, dass Umkleiden Arbeitszeit und undokumentierte Arbeitszeit unzulässig ist, überall durchgesetzt ist. Aber wenigstens bestreitet heute kaum mehr jemand, dass wir recht haben. Und immer häufiger haben wir nicht nur recht, sondern bekommen auch recht.

Hintergrund zur Klage für die Umkleidezeit am Spital Bülach (Newseinträge):