Ab Juni 2022 wird die Arbeitswoche für Pflegefachkräfte am GZO Wetzikon kürzer. Das Spital hat beschlossen, die Sollarbeitszeit pro Woche von 42 auf 37.8 Stunden zu kürzen - bei vollem Lohn, wie das GZO in einer Mitteilung bekannt gibt. Für Personen, die regulär 100 Prozent tätig sind, heisst das konkret: Sie müssen 24 Arbeitstage pro Jahr (rund 17 Stunden pro Monat) weniger für den gleichen Lohn arbeiten. Allerdings gilt dies erst ab Juni und befristet bis Ende 2023. Und es gilt nur für Pflegefachkräfte, die regelmässig im Dreischichtmodell arbeiten, die also auch Nacht- und Wochenenddienste leisten. Aber immerhin: Die Richtung stimmt.
«Mit einem neuen Arbeitszeitmodell erkennen wir die anspruchsvolle Tätigkeit des Pflegepersonals im Schichtdienst an», erklärt Matthias P. Spielmann, CEO des GZO Spital Wetzikon. Vier von zehn Pflegenden geben ihren Beruf bereits nach wenigen Jahren auf – oft aus Erschöpfung. Einige der offenen Stellen können vorübergehend durch Temporär-Mitarbeitende besetzt werden. Dies ist jedoch teurer, äusserst zeitaufwändig und wirkt sich aufgrund der fehlenden Kontinuität negativ auf die Qualität aus. «Wir möchten den Pflegeberuf attraktiver machen und die Rahmenbedingungen so gestalten, dass mehr Pflegefachpersonen dem Beruf treu bleiben», betont CEO Matthias P. Spielmann.
Damit gibt Spielmann dem VPOD recht und sagt, was wir schon lange sagen und fordern: Es braucht bessere Anstellungs- und Arbeitsbedingungen, um den schleichenden Pflexit zu verhindern und um sicherzustellen, dass wir genügend gut qualifizierte Pflegefachkräfte finden und im Beruf halten können. Entsprechende Forderungen hat der VPOD in der Vergangenheit schon am Zürcher Universitätsspital USZ (Es reicht. Wir haben genug! Handelt endlich!) gestellt und aktuell läuft ein offener Brief am Kantonsspital Winterthur KSW, mit dem Angestellte «erste Hilfe» fordern.
Auch die NZZ berichet plötzlich positiv über solche Forderungen, wenn die Botschaft von der Spitaldirektion kommt. Der ausführliche Artikel von Jan Hudec und Fabian Baumgartner, in dem auch Pflegefachkräfte selber zu Wort kommen, liest sich wie die Mitteilungen, die der VPOD seit Monaten und Jahren aussendet. Jetzt ist auch hier von einer «Krise in der Pflege» die Rede, während dies noch vor kurzem, vor der Abstimmung über die Pflegeinitiative, nicht so explizit zu lesen war:
Die erschöpften Pflegerinnen und Pfleger sind zum Symbol der Corona-Krise in der Schweiz geworden. Doch in der Pandemie hat sich nur akzentuiert, was schon zuvor ein Problem war: Es fehlt an Fachkräften in der Pflege. (...) Besonders gross ist der Personalmangel auf den Intensiv- und Notfallstationen. Was das konkret bedeutet, verdeutlichen die Zahlen aus Wetzikon. In den beiden vergangenen Jahren verliessen jeweils 17 Prozent der Belegschaft die IPS und gar fast 35 Prozent den Notfall.
Auch der finanziell und bezüglich Pflegequalität fragwürdige Einsatz von Temporärpersonal wird thematisiert:
Fast täglich sind deshalb Temporäre im Einsatz, in den beiden Stationen beträgt der Anteil in den zwei Jahren durchschnittlich 10 Prozent, in extremen Phasen stieg er auf bis zu 50 Prozent. Das führt zu der absurden Situation, dass das Spital höhere Personalkosten hat, obwohl viele Stellen nicht besetzt sind. Denn die temporären Mitarbeiter sind deutlich teurer als die Festangestellten.
Die NZZ konstatiert: Dass die Pandemie zu einer Abwanderung von Pflegefachkräften geführt hat, halten Gesundheitsexperten für ein Versagen der Politik. Zitiert werden dazu Werner Widmer, ehemaliger Verwaltungsdirektor des Universitätsspitals Zürich, und der Gesundheitsökonom Heinz Locher:
«Dass es nach zwei Jahren Pandemie weniger statt mehr Intensivpflegeplätze gibt, ist nicht Schicksal, sondern reines Versagen der Politik»
Das GZO Wetzikon hat die Zeichen der Zeit erkannt und Massnahmen beschlossen. Diese gehen nicht sehr weit im Vergleich zu dem, was der VPOD und andere fordern. So hat der Luzerner Berater und Coach Arnaldo Urbanetti im Hinblick auf eine neue Gesundheitskrise in der Schweiz den Vorschlag gemacht, die Arbeitszeit bei vollem Lohn auf 60% zu senken. In einem Interview mit medinside fordert er, dass die Spitäler massiv mehr Personal einstellen und dieses dann im Normalfall nur noch drei Tage pro Woche arbeitet. Dafür müsste es bereit sein, im Krisenfall bis zu fünf Tage zu arbeiten.
So weit geht das GZO nicht. Aber immerhin: Die Richtung stimmt. Wenn die Spitaldirektion des GZO jetzt auch noch beschliesst, endlich die Umkleidezeit anzurechnen und zu entschädigen, dann darf man CEO Spielmann für einmal wirklich auf die Schultern klopfen. Ob es weitergehende Massnahmen gibt, hängt zudem auch und vor allem von der Politik ab, die den Spitälern und Kliniken zweckgebundene Mittel geben muss, um bessere Anstellungs- und Arbeitsbedingungen zu finanzieren. Eine entsprechende Anfrage im Zürcher Kantonsrat ist in Vorbereitung.