Notenzwang: Schlechtes Zeugnis für den Kantonsrat

Von: Fabio Höhener

Der Kantonsrat entmündigt die pädagogischen Fachkräfte und die Expertinnen und Experten des Bildungsrates und zwingt die Lehrpersonen zur Notengebung. Die Lehrpersonen verlieren Autonomie bei der Gestaltung ihres Unterrichts. Dadurch verschärft die Kantonsratsmehrheit den Lehrkräftemangel.

Noten haben keinen positiven Effekt auf den Schul- und Lernerfolg. Was von Bildungsexpertinnen und – experten seit langem zum Grundverständnis gehört, wird von bürgerlichen Politiker:innen geflissentlich ignoriert. Heute hat der Kantonsrat in Folge einer parlamentarischen Initiative (KR-Nr. 69/2020) ein veraltetes Beurteilungssystem zementiert, statt modernisiert.

Bereits im letzten Jahr hat der VPOD mit einem Brief an die Mitglieder der kantonsrätlichen Kommission für Bildung und Kultur (KBIK) darauf hingewiesen, dass andere Faktoren wie Lehrer:in-Schüler:in-Beziehung oder Feedback einen viel entscheidenderen Einfluss auf die Lernentwicklung der Schülerinnen und Schülern haben. Es ist daher wichtig, dass sich die Lehrpersonen auch mehrheitlich auf solche Unterrichtsaspekte konzentrieren können und nicht dauernd und für Alles und Jedes Noten vergeben müssen.

Bereits jetzt erhalten Schülerinnen und Schüler von ihren Lehrpersonen zahlreiche Rückmeldungen und Wertungen über das Geleistete. Solche Bewertungen können in verschiedenen Formen erfolgen und müssen nicht zwingend auf eine formelle Zahl reduziert werden. Sophie Blaser, Präsidentin der VPOD Sektion Lehrberufe, stellt klar: «Die Lehrpersonen wissen am besten, wie ihre Schülerinnen und Schüler inhaltlich und persönlich weitergebracht werden können und dürfen nicht von fachfremden Politker:innen entmündigt werden».

Das der Kantonsrat dem Bildungsrat und den Lehrpersonen diese Kompetenz abspricht, lässt tief blicken. Offenbar ist eine Mehrheit immer noch nicht bereit die Forderungen aus dem Schulfeld ernst zu nehmen. Damit wird riskiert, dass noch mehr Lehrpersonen dem Beruf den Rücken kehren und den Schuldienst verlassen. Der Lehrkräftemangel wird so weiter verschärft. Noten erhalten die Kinder dann allenfalls von unausgebildeten Laienlehrpersonen. Diese Fehlleistung der Kantonsratsmehrheit lässt sich wiederum einfach benoten. Prädikat: ungenügend!