- «Die stark steigenden Kosten gefährden unser Gesundheitswesen», darf Verena Nold, Direktorin des Krankenkassenverbandes Santésuisse bei medinside verbreiten. Tatsächlich sind die Prämien ständig gestiegen und drohen auch weiter zu steigen. Was Nold aber nicht sagt: Die für viele Menschen unbezahlbaren Prämien sind nicht in erster Linie das Resultat eines teuren Gesundheitswesens, sondern einer weltweit einzigartig unsozialen Verteilung der Kosten. Ob teilzeitangestellte Putzkraft oder Multimillionär - die Kopfprämie der Krankenkasse ist für alle gleich hoch - und belastet damit natürlich Wenig- oder Normalverdienende übermässig, während die Reichen unverhältnismässig billig davonkommen. In praktisch allen anderen Ländern sind die Gesundheitskosten wie die Steuern abhängig vom Einkommen. Bei einer solchen Finanzierung auch in der Schweiz würden die Prämien für den grössten Teil der Gesellschaft sofort massiv sinken. Aber daran haben die Krankenkassen natürlich kein Interesse. Im Gegenteil.
- Die Krankenkassen sind Feuer und Flamme für das Projekt EFAS, die einheitliche Finanzierung von stationären und ambulanten Leistungen (heute EFAS, früher Monismus). In die Welt gesetzt hat die Idee Nationalrätin und Krankenkassenlobbyistin Ruth Humbel (CVP). Bern wird sich nächstens wieder mit diesem Projekt befassen. In der jetzigen Version, die sich liest wie wenn sie von den Krankenkassen selber geschrieben worden wäre, würden die Krankenkassen zur Kontrollinstanz über alle Gesundheitsleistungen - und könnten geschätzte 11 Milliarden Franken zusätzlich kanalisieren und einkassieren. Das heutige unsoziale System würde also noch verschärft - und die Krankenkassen noch reicher und mächtiger. Der VPOD hat schon an seinem letzten Kongress beschlossen, gegen diese Vorlage das Referendum zu ergreifen, wenn sie denn in Bern durch die Räte kommt. Es ist aber zu hoffen, dass sie dort schon abstürzt.
- Da passt es doch auch bestens, wenn die britische Zeitung The Guardian beeindruckt ist vom Schweizer Reha-Angebot: Sie brachte eine Reportage über die teuersten Reha-Kliniken der Welt – sie stehen in Zürich. Titel der Reportage: «Aus dem Innern der Schweizer Kliniken, wo sich die Superreichen therapieren lassen». Nach Zürich kommen die Milliardäre für eine besondere Form der Behandlung, die Einzel-Reha. Das heisst: Sie haben nie etwas mit anderen Patienten zu tun. Es gibt weder Gruppentherapien noch Gemeinschaftsräume. Staunend schreibt die britische Journalistin über die Paracelsus-Recovery-Klinik und die Kusnacht-Practice. Die beiden Kliniken bieten eine konzentrierte Einzeltherapie und absolute Diskretion bei psychischen Problemen wie Alkohol- oder Drogenmissbrauch. Dass deren Zielpublikum nicht Patient:innen mit einer obligatorischen Grundversicherung sind, stellt die Klinik beim Einstieg auf ihrer Website schon bei der Anrede unmissverständlich fest: «Sie gehören einer ganz besonderen Bevölkerungsgruppe an. Sie können Geschäftsinhaber, Entertainer oder Mitglieder wohlhabender Familien sein.»
Das stationäre Behandlungsprogramm der Klinik dauert vier Wochen und kostet rund 400'000 Franken. Dafür wohnen die Klienten in ihrem eigenen Haus oder Apartment und haben einen eigenen Fahrer, eine Haushälterin, einen Koch und persönliche therapeutische Betreuung rund um die Uhr durch einen Live-in-Therapeuten, also mit einem Therapeuten, der ständig vor Ort verfügbar ist. Dazu kommen tägliche Einzelsitzungen bei einem 15- bis 20-köpfigen Team, darunter Psychiater, Ärzt:innen, Krankenpflegepersonal, Yogalehrer:innen, Masseur/Masseuse, Ernährungsberater:innen, Hypnotiseur:innen und Traumatherapeut:innen.Ein Klinikleiter meint gegenüber der Zeitung, das Elend der Superreichen sei ein Markt wie jeder andere, und es gebe eine Marktlücke. Ausserdem prophezeit er: In den kommenden Jahren werde es «zu einer Menge Fusionen und Übernahmen in diesem Bereich kommen».
Sehr wahrscheinlich bieten unsere Schweizer Krankenkassen dieser globalen Milliardärengarde bald eigene Policen an, um auch das zu kontrollieren und sich daran bereichern zu können. Die Prämien für uns werden deswegen nicht sinken. Die Profite der Krankenkassen aber steigen sicher.