Profit ist kein Heilmittel!

Von: Roland Brunner, VPOD-Sekretär Sektion ZH Kanton

Die Kanadierin Maude Barlow*, einigen hier vielleicht bekannt als Kämpferin für das Menschenrecht auf Wasser, hat eine lange politische Geschichte als Feministin, Menschenrechts-Aktivistin und Buchautorin. 2002 veröffentlichte sie «Profit is not the cure. A citizen’s Guide to Saving Medicare». Darin setzte sie sich mit der gerechten Finanzierung des Gesundheitswesens auseinander. In Kanada seit langen Jahren Realität.

Die Schweiz: Als ziemlich einziges Land der Welt kennen wir Kopfprämien, also Krankenkassenprämien, die unabhängig vom Einkommen für alle gleich – und damit für Wenig- und Normalverdienende besonders hoch sind. Zusätzlich zu den seit Jahren steigenden Krankenkassenprämien bezahlen wir Franchisen von jährlich bis zu 2500 Franken und obendrauf noch einen Selbstbehalt, also von jeder Rechnung nochmals einen Teil. Tausende von Franken Gesundheitsausgaben kommen so zusammen – für Normalos und Normalas längst weit jenseits der Schmerzgrenze. Nicht die Gesundheitskosten in der Schweiz sind zu hoch, sondern die Verteilung dieser Kosten ist in der Schweiz einfach völlig unsozial und ungerecht. Es sind viele private Anbieter (Spitäler, Altersheime, Spitexen usw,), die sich einen grossen Teil dieses Geldes in den Sack stecken. Und dieses System droht, noch asozialer und teurer zu werden! (hier lesen: Unverständliches Geschenk an Privatspitäler und Verscherungslobby).

Öffentliche Versorgung schafft Gerechtigkeit

Und in Kanada? Kanada ist ja nun wirklich kein sozialistisches Land, aber die Realitäten sind doch ganz anders. Im Klappentext ihrer Streitschrift gegen ein privatisiertes Gesundheitswesen schreibt Maude Barlow:

«Sie sind kein:e Bürger:in, der/dem die Regierung Rechenschaft schuldig ist. Sie sind ein:e Verbraucher:in mit dem Recht, die Dinge zu kaufen, die Sie sich leisten können. Sie haben keinen Anspruch auf medizinische Versorgung, aber Sie können sie kaufen. Wenn Sie wohlhabend sind, können Sie sich an die Spitze der Warteschlange stellen und die beste medizinische Versorgung erhalten. Wenn Sie nicht wohlhabend sind, können Sie warten, leiden und vielleicht sterben. Das ist es, was privatisierte Medizin bedeutet.»

In «Profit ist kein Heilmittel» erklärt Maude Barlow, wie die Kanadier:innen mächtige Interessen besiegten, um eines der besten öffentlich finanzierten medizinischen Versorgungssysteme der Welt zu schaffen. Sie behandelt die Versuche zur Privatisierung des öffentlichen Sektors, insbesondere im Gesundheitswesen sowie in der Wasser- und Energiewirtschaft und argumentiert, dass Privatisierungen negative Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit, den Zugang zu sauberem Wasser und auf die Umwelt haben. Öffentliche Güter wie Gesundheit und Wasser dürften nicht in privatwirtschaftliche Hände fallen, da dies die öffentliche Verantwortung untergraben und die Kosten für die Nutzung dieser Güter erhöhen würde.

Barlow forderte mit Erfolg ein Ende der Privatisierung und eine Stärkung des öffentlichen Sektors, um sicherzustellen, dass alle Menschen Zugang zu den Grundbedürfnissen haben. Mit ihrem Buch hat sie in Kanada und anderen Ländern eine breite Debatte ausgelöst und zur Diskussion über die Rolle des Staates bei der Bereitstellung von öffentlichen Gütern beigetragen. Und in Kanada das hält das seit dann. Hier ein paar Eckdaten dazu:

Die Gesundheitskosten in Kanada werden vollumfänglich über die Steuern – und damit sozialverträglich, weil einkommensabhängig – finanziert. Krankenkassenprämien, Franchisen oder Selbstbehalt gibt es nicht. Es gibt zwar einige private Krankenversicherungen, aber diese bezahlen nur zusätzliche Leistungen, die nicht von der staatlichen Krankenversicherung getragen werden. Die öffentliche Krankenversicherung deckt aber alle notwendigen medizinischen Leistungen ab, einschliesslich Arztbesuche, Spitalaufenthalte und medizinische Behandlungen – also weit über das hinaus, was die Krankenkassen in der Schweiz übernehmen. Ausgenommen sind – wie in der Schweiz – die Kosten für die Zahnbehandlung.

Und wer soll das bezahlen?

Die Gesundheitsausgaben in Kanada betrugen laut Daten der Weltbank pro Kopf im Jahr 2020 etwa 6839 US-Dollar. Und in der Schweiz? Laut Daten der Weltbank waren es 2020 etwa 9576 US-Dollar! Also 40 Prozent mehr! Das kanadische System ist also nicht teurer, sondern viel günstiger, viel gerechter und viel sozialer, da die Kosten über Steuern erhoben und damit einkommensabhängig sind. Statt Milliardengewinne für Krankenkassen und private Anbieter (Spitäler, Alters- und Pflegheime, Spitexen usw.) zu finanzieren, bezahlen die Bürger:innen in Kanada für das, worum es geht: für das Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung für alle.

* Maude Barlow ist Mitbegründerin der Blue Community, eines Netzwerks von Städten, Universitäten und Organisationen, die sich für das Menschenrecht auf Wasser einsetzen. Der VPOD Zürich ist auch eine Blue Community (Infos hier). Letzte Woche war Maude Barlow in Zürich. Sie konnte die Ehrendoktorwürde der Universität Zürich entgegennehmen und hielt einen sehr engagierten Vortrag. Informationen dazu auf der Webseite der Blue Community Schweiz.