Ende November 2021 nahm eine grosse Mehrheit der Stimmbevölkerung die Pflege-Initiative an. Sie soll in zwei Etappen umgesetzt werden. Für jede Etappe braucht es ein Bundesgesetz und – weil unser Gesundheitswesen kantonal organisiert ist – in jedem Kanton je ein sogenanntes «Einführungsgesetz» (EG) dazu.
Am 1. Juli 2024 trat nun für die erste Etappe – auch «Ausbildungsoffensive» genannt – endlich das Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege (kürzer: Ausbildungsfördergesetz Pflege) in Kraft. Und jetzt ist auch das zugehörige «EG Ausbildungsfördergesetz Pflege» des Kanton Zürich publiziert. Die zuständige Kommission (KSSG) hat es mit einigen Anträgen zu Händen des Kantonsrats verabschiedet. Er soll es an einer nächsten Sitzung rückwirkend ebenfalls auf Angang Juli 2024 in Kraft setzen.
Der VPOD Zürich hatte im Rahmen der Vernehmlassung verschiedene Anpassungen verlangt (s. Downloads). Wir stellen fest: Sie flossen höchstens zum Teil in den Gesetzestext ein und werden nur punktuell von einer kleinen Kommissionsminderheit mitgetragen.
Der VPOD insistiert:
- Es genügt nicht, «nur» die Abschlüsse der Pflegefachpersonen HF und FH zu steigern. Förderliche Bedingungen für medizin-technischen und medizin-therapeutischen Berufe (MTTB) sowie für Fachpersonen Gesundheit (FaGe) und Betreuung (FaBe) sind ebenso entscheidend für genug Personal im Gesundheitswesen. Die FaGe-Ausbildung ist zudem ein wichtiger «Zubringer» für die Studiengänge HF und (mit Berufsmatur) FH.
- Die Ausbildungsförderung sieht vor, dass Pflegestudierende HF und FH (bis Stufe Bachelor) als Anreiz fürs Pflegestudium monatliche Förderbeiträge erhalten sollen. Der VPOD bittet die Kantonsrät:innen dringend im Gesetz sicher zu stellen, dass dafür kein Mindestalter nötig ist. Ein Mindestalter kann Schulabgänger:innen vom sofortigen Beginn des Pflegestudiums abhalten – ein widersinniger Bremsklotz für die «Ausbildungsoffensive».
- Die Höhe der Förderbeiträge wird erst nachträglich zum Gesetz in einer Verordnung geregelt, über welche die Regierung alleine bestimmt. Das ist dem VPOD zu ungewiss. Das Gesetz soll einen Mindestbetrag festlegen, welcher der VPOD bei monatlich ca. CHF 1000 sieht.
- Der Kanton wird neu auch an die Gesundheitsbetriebe zusätzliche Ausbildungsbeiträge entrichten, und zwar pro Student:in und Ausbildungswoche. Darüber entscheidet nicht das vorliegende neue Gesetz. Der VPOD insistiert aber, dass der Kantonsrat solche Ausbildungsbeiträge an zwei Bedingungen koppelt:
- Spitäler/Kliniken, Heime und Spitex – die für ihren Betrieb elementar auf die Pflegestudierenden als Praktikant:innen angewiesen sind – sollen Ausbildungslöhne gemäss den Empfehlungen der OdA Gesundheit bezahlen müssen. Die Ausbildungslöhne dürfen keinesfalls um die kantonalen Förderbeiträge reduziert werden. Diese Forderungen stellen Pflegestudent:innen auch in ihrer gemeinsamen Petition «Faire Ausbildungsbedingungen für Pflegestudierende» mit dem VPOD Zürich.
- Spitäler/Kliniken, Heime und Spitex müssen die zusätzlichen Ausbildungsbeiträge nachweislich für eine bessere Ausbildungsqualität einsetzen, wobei dies an quantifizierbaren Kriterien gemessen werden soll.
- Der Kanton soll mehr Geld in die Ausbildungsförderung stecken. Zurzeit will er bloss den Betrag einsetzen, welcher er vom Bund in gleicher Höhe in Aussicht gestellt erhält. Keinesfalls darf der Kanton seinen Beitrag kürzen, falls der Bund - wie bereits angekündigt - an seinem Teil den Sparhebel ansetzt.
Hintergrund: Mit drei Teilprojekten will der Kanton Zürich die Anzahl Studienabschlüsse der Pflegefachpersonen HF bzw. FH (Bachelor) massgeblich erhöhen (= Umsetzung Pflege-Initiative 1. Etrappe).
Teilprojekt 1 – zusätzliche Beiträge an die Betriebe
Gesundheitsbetriebe mit öffentlichem Leistungsauftrag sind verpflichtet, Pflegefachpersonen auszubilden (Ausbildungsverpflichtung). Umgekehrt profitieren die Betriebe elementar von den umfangreichen Praktika der Studierenden. Sie sind auf deren Arbeit angewiesen. Grundsätzlich ist die Ausbildungstätigkeit der Akutspitäler via Fallpauschalen finanziert, jene der Langzeitpflege und Spitex über die Restfinanzierung der öffentlichen Hand.
Neu sollen alle Gesundheitseinrichtungen pro Pflegestudent:in und Ausbildungswoche einen zusätzlichen Ausbildungsbetrag erhalten. Dessen Höhe ist noch nicht bestimmt. Für Ausbildungswochen, welche die Ausbildungsverpflichtung übersteigen, soll der Betrag erhöht werden. Er ist nachweislich zweckgebunden für die Verbesserung der Ausbildungsqualität in der Pflege einzusetzen. Betriebe können auch eine Anschubfinanzierung für innovative Projekte beantragen, welche geeignet scheinen, das Ausbildungspotenzial oder die Ausbildungsqualität in der Pflege zu steigern.
Teilprojekt 2 – Zusätzliche Beiträge an Höhere Fachschulen HF
Höhere Fachschulen sollen vom Kanton zusätzliche Beiträge erhalten, um die Anzahl Abschlüsse für die Pflegeausbildung zu steigern und Ausbildungsabbrüche zu reduzieren. Das können Schnupperangebote für Interessierte sein, Vorbereitungskurse für Quereinsteiger:innen oder Angebote für Studierende, welche die Resilienz im Berufsalltag fördern.
Aus Sicht VPOD besteht ein grosser Bedarf, dass Studierende in der Praxis die nötigen Rahmenbedingungen antreffen, damit sie dem in der Schule gelernten Qualitätsanspruch überhaupt gerecht werden können. Ist dies nicht der Fall, provoziert dies Frust und ernsthafte Zweifel an der Berufswahl. Entsprechend ist eine enge Zusammenarbeit von Schule und Entscheidungsträger:innen in der Praxis nötig. Für die Mitgestaltung der Praktika vor Ort brauchen die Schulen zusätzliche Ressourcen.
Teilprojekt 3 – Förderbeiträge an Pflegestudierende HF und FH (Bachelor)
Rückwirkend auf den 1. Juli 2024 sollen Pflegestudierende während der Ausbildung an einer Höheren Fachschule HF oder Fachhochschule FH Förderbeiträge erhalten. Diese sollen im Gegensatz zu Stipendien (deshalb auch die begriffliche Unterscheidung) möglichst unbürokratisch erhältlich sein und Stipendien nicht schmälern. Angedacht ist ein Mindestalter für den Erhalt von Förderbeiträgen. Der VPOD erachtet dies als kontraproduktiv. Niemand soll einen finanziellen Nachteil davon haben, wenn er:sie das Pflegestudium möglichst jung antritt.
Die Höhe der Förderbeiträge stehen noch nicht fest. Siehe dazu auch die Forderungen des VPOD oben und die gemeinsame Petition mit Pflegestudierenden (s. auch Medienmitteilung dazu unter den Downloads).
Website des Kantons
Der Kanton hat zum Stand der kantonalen Umsetzung der Pflege-Inititiatve eine Website aufgeschaltet.
Downloads | ||
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03.10.2023 | Stellungnahme VPOD zur kantonalen Umsetzung Pflege-Initiative, 1. Etappe | PDF (194.9 kB) |
Downloads | ||
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17.06.2024 | 20240617_MM_Einreichung_Petition_Pflegestudierende | PDF (138.3 kB) |