Mit dem neuen Berufsauftrag büssen die Lehrpersonen Zeitautonomie ein, ohne dass sie dadurch merklich entlastet werden. Den Schulleitungen dient der nBa als Personalführungsinstrument, wobei viele Schulleitungen dieses Instrument gar nie gewünscht haben.
Neu haben die Schulleitungen die Möglichkeit, die definierten Zeitressourcen der Lehrpersonen für gezielte Arbeitsaufträge einzusetzen. Vor jedem Schuljahr gilt es für Lehrpersonen und Schulleitung zu verhandeln, für welche Arbeiten die Zeitressourcen eingesetzt werden. Bei Uneinigkeit entscheidet die Schulleitung. Das Resultat wird mit einer Pensenvereinbarung festgeschrieben. Die Rückmeldungen aus dem Kollegium zeigen, dass insbesondere diese Verhandlung mit der Schulleitung für grossen Unmut sorgt. Im ersten Jahr der Einführung ist das Frustpotential besonders gross, da für eine realistische Planung Referenzwerte fehlen. Deshalb ist es wichtig, dass die Lehrpersonen eine wahrheitsgetreue und konsequente Arbeitszeiterfassung durchführen. Es ist anzunehmen, dass zwischen der Ressourcenplanung vor Schuljahresanfang (Pensenvereinbarung) und der effektiv aufgewendeten Arbeitszeit am Ende des Schuljahres (Arbeitszeiterfassung) eine Differenz besteht. Diese Differenz resultiert daraus, dass der Arbeitsaufwand im Schulalltag nicht auf die Stunde genau planbar ist. Unerwartete Ereignisse, besondere Situationen oder Fehlplanungen führen zur Abweichungen der Arbeitszeit gegenüber des vereinbarten Ressourceneinsatzes. Wenn die Vereinbarung für eine spezifische Aufgabe beispielsweise 10 Stunden vorsieht, die Lehrperson aber aus plausiblen Gründen 12 Stunden dafür benötigt, so soll sie auch 12 Stunden dafür erfassen können. Allfällige Mehrarbeit muss dann im Folgejahr bei der Planung berücksichtigt und kompensiert werden. Wir erhalten von Lehrpersonen aus einigen Schulgemeinden die Rückmeldung, dass die Schulführung behauptet, eine Zeiterfassung sei nicht nötig. Das ist falsch. Eine Zeiterfassung ist per Gesetz zwingend notwendig. Eine neue Arbeitszeitenregelung ohne Arbeitszeiterfassung würde den ganzen Berufsauftrag ad absurdum führen und hätte erst recht keine Entlastung für die Lehrpersonen zur Folge. Falls eine Schule sich nicht an die Gesetzgebung hält, soll dies beim VPOD oder direkt beim Volksschulamt (VSA) gemeldet werden.
Führungsschwächen werden sicht- und spürbar
Der neue Berufsauftrag bringt nicht die dringliche zeitliche Entlastung aller Lehrpersonen mit sich, jedoch sollte zumindest der Aufwand in unterschiedlichen Arbeitsbereichen messbar und bei einer fachgerechten Umsetzung auch steuerbar sein. Für eine gerechte Umsetzung ist jedoch von der Schulführung ein grosses organisatorisches und personalpolitisches Geschick gefordert. Kompetenten Schulleitungen können im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums den Berufsauftrag in eine positive Richtung lenken. Insbesondere dann, wenn sie den Lehrpersonen einzeln und als Kollegium die nötige Mitsprache ermöglichen. Bei Schulleitungen mit tiefer Leitungs- und Planungskompetenz werden bereits vorhandene Führungsschwächen erst recht sicht- und spürbar. Als Konsequenz resultiert die Gefährdung der Arbeits- und Schulqualität. Deshalb ist es wichtig, dass die Schulleitungen die Bedenken der Lehrpersonen ernst nehmen und das Kollegium als Ganzes bei der Ausgestaltung des nBa miteinbezieht. Nur im Team kann das Kollegium gemeinsame, tragbare Lösungsansätze für alle ausarbeiten. Der VPOD unterstützt die Lehrpersonen dabei, solche Teamprozesse durchzuführen.
Eine faire Verteilung der Aufgaben unter Berücksichtigung der Stärken der Lehrpersonen ist ein schwieriges Unterfangen. Insbesondere da der Gestaltungsspielraum der Schule durch die zur Verfügung stehenden Ressourcen begrenzt ist. Der neue Berufsauftrag ändert grundsätzlich an den für die Bewältigung aller Aufgaben bestehenden Zeitressourcen nichts. Lediglich die Verteilung wurde neu geregelt. Bildlich gesprochen wird neu über die Verteilung des Kuchens verhandelt. Falls eine Lehrperson ein grösseres Stück erhält, wird der restliche Kuchen für alle kleiner. Gerade hier liegt das Grundproblem, das durch den Berufsauftrag sichtbar wird. Spätestens seit der Arbeitszeitstudie der Zürcher Lehrpersonen (Forneck 2000) ist klar, dass erstens der Zeitaufwand zwischen den Lehrpersonen bei gleichem Anstellungspensum sehr stark variiert und zum anderen, dass die Lehrpersonen im Schnitt auf allen Stufen mehr, als die neu vorgegebene Jahresarbeitszeit (100 Stelleprozent = 2184 Jahresarbeitsstunden) arbeiten. Deshalb braucht es nicht nur eine faire Verteilung der Kuchenstücke, sondern insbesondere einen grösseren Kuchen.