Regelmässiges Händedesinfizieren, Aufsetzen einer Atemmaske – für Spitalangestellte Teil des Arbeitsalltags. Genauso das tragen von frisch gewaschener Arbeitskleidung. Bislang zählt diese Zeit in den Thurgauer Spitälern nicht als Arbeitszeit. Das soll sich ändern, meint der Verband des Personals öffentlicher Dienste.
Die Krankenschwester erscheint im Sommerkleid zum Verbandswechsel und der Arzt operiert im Leinenhemd. Undenkbar. Im Spital gelten die bekannten Kleidervorschriften. Umziehen darf sich das Personal in den Thurgauer Spitälern aber nicht während der Arbeitszeit, sondern muss sich hierfür fünf bis zehn Minuten vor dem offiziellen Arbeitsbeginn in der Garderobe einfinden. Der Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) findet diesen Zustand unhaltbar und verlangt, dass die Spitäler die Umziehzeit entlöhnen.
«Enorme» Mehrkosten
Aufs Jahr gerechnet, benötigen die Angestellten im Spital rund zwei Wochen für die Umziehzeit. Zwei Wochen, die sie umsonst arbeiten. Laut Staatssekretariat für Wirtschaft ist die Umkleidezeit als Arbeitszeit anzurechnen, «falls das Umziehen für die Tätigkeit notwendig ist». Ignoriert der Arbeitgeber diese Regel, mache er sich einer Verletzung des Arbeitsgesetzes schuldig. Aufgrund der Forderungen des VPOD lenkten einige Zürcher Spitäler ein. In St. Gallen wehrt sich die Regierung gegen die Entlöhnungspflicht der Umziehzeit in einer schriftlichen Antwort auf eine einfache Anfrage. Die Entlöhnung der Arbeitszeit sei gesetzlich verankert, entspreche aber in den meisten Spitälern nicht der gelebten Praxis. Der Forderung nach Anrechnung der Umkleidezeit als Arbeitszeit stehe die Kulanz der Spitalbetriebe bei Pausenregelungen gegenüber. Wären die Spitäler zur sofortigen Anrechnung der Umkleidezeit als Arbeitszeit verpflichtet, müssten die Unternehmen aus finanziellen Überlegungen im Gegenzug bisher grosszügige Pausenregelungen durch rigide Arbeitszeitkontrollen einschränken.
Umkleidezeit als Arbeitszeit anerkannt
Diese Entwicklungen färben auf andere Kantone ab. Der VPOD steht in mehreren Kantonen im Kontakt mit den Spitalleitungen. In Solothurn und Freiburg werde ein Vorschlag vonseiten der Spitäler erwartet, wie das Umziehen in Zukunft als Arbeitszeit angerechnet werden könne. Weitere Kantone in der Westschweiz sollen bald folgen. Im Kanton Thurgau werden Abklärungen mit den Personalverbänden gemacht. Marc Kohler, CEO der Spital Thurgau AG, meint auf Anfrage: «Die meisten Ostschweizer Spitäler sind dazu im Kontakt mit ihren Personalverbänden, so auch wir. Es ist uns wichtig, dass Rechte und Pflichten von Mitarbeitenden gemeinsam und im Gesamtkontext betrachtet werden. Deshalb möchte ich diesen internen Diskussionen nicht vorgreifen und keine weitere Stellung beziehen.»
Auf Anfrage bezüglich der Fortschritte im Kanton Thurgau meint der VPOD: Dass Umkleidezeit bezahlte Arbeitszeit ist, wird vom Arbeitgeber anerkannt. Im nächsten Schritt muss dieser einen konkreten Lösungsvorschlag präsentieren.
Von Tamara Schäpper, in: Thurgauer Nachrichten / Frauenfelder Nachrichten