Umkleidezeit: Zwischenbilanz nach einem Jahr

Vor genau einem Jahr hat der VPOD Zürich die Forderung gestellt: Umkleiden ist Arbeitszeit! Ein Jahr später zieht der VPOD eine Zwischenbilanz: Der Grundsatz wird heute kaum mehr bestritten, aber er wird auch nicht umgesetzt. Der VPOD prangert den Vollzugsnotstand an.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco, der Regierungsrat des Kantons Zürich, von St. Gallen und von Baselland, sowie viele Gutachten bestätigen, was der VPOD schon lange sagt: Betrieblich verordnetes Umkleiden ist als Arbeitszeit anzurechnen. Aber erst drei Spitäler im Kanton Zürich haben dies anerkannt und umgesetzt: die Schulthess-Klinik, das Kinderspital Kispi und das Universitätsspital Zürich USZ.

VPOD-Sekretär Roland Brunner prangert den Vollzugsnotstand an: «Die Spitäler im Kanton Zürich bauen ständig neue Luxusbettenhäuser, geben Millionen für neue Logos und Werbung aus und auch sonst scheint ihnen nichts teuer genug zu sein. Dem Personal der meisten Spitäler wird aber weiterhin jedes Jahr zwei Wochen Arbeitszeit geklaut, weil die Umkleide­zeit nicht angerechnet wird.» Gemäss seinen Berechnungen beläuft sich die nicht angerechnete Umkleidezeit alleine im Kanton Zürich auf rund 1'340'000 Arbeits­stunden pro Jahr! «So viel schenken die Spitalangestellten, die sich im Betrieb umkleiden müssen, ihrem Spital. Oder besser gesagt: So viel klauen die Spitäler ihren Angestellten bisher jedes Jahr.» Das Arbeits­inspektorat des Kantons Zürich und das Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA müssten hier endlich entschieden handeln und das Arbeitsgesetz durchsetzen.

Am Kispi erfolgt die Umsetzung unter Einbezug des Personals und seiner Verbände. Eine erste Evaluation hat stattgefunden und Probleme aufgezeigt. Diese werden nun gemeinsam weiter­bearbeitet. Am USZ hingegen hat die Direktion gegen den klar deklarierten Widerstand des Personals und seiner Verbände von oben herab eine Umsetzung beschlossen, die am 1. August in Kraft gesetzt wurde. Das Personal wehrt sich dagegen und der VPOD hat beim Arbeits­inspektorat des Kantons Zürich Anzeige gegen das USZ und andere Spitäler eingereicht.
Nadine Constantin, Dipl. Pflegefach­frau HF, NDS Intensivpflege, listete die Kritikpunkte auf und stellte fest: „Als Spital­ange­stellte und Pflegefachleute stellen wir die Patient*in­nen in den Mittelpunkt. Die Umsetzung der gesetzlich als Arbeitszeit festgelegten Umkleide­zeit darf nicht auf Kosten der Pflege, also von Personal und Patient*innen geschehen.» Auch der Personal­ausschuss des USZ und die Angestellten einzelner Abteilungen haben mit Schreiben gegen die beschlossene und in Kraft gesetzte Anrechnung der Umkleidezeit Stellung genommen. Erika Ziltener, Leiterin der Patientenstelle Zürich, hält fest, diese Umsetzung erfolge auf Kosten des Personals und damit auch der Patient*innen.

Rechtsanwalt Markus Bischoff, der den VPOD bei den Lohnklagen für die Umkleidezeit ver­tritt, hält fest: «Sowohl im öffentlichen als auch im privaten Arbeitsrecht gilt der Grund­satz, dass die Zeit, während welcher man sich zu Gunsten des Arbeitgebers zur Verfügung halten muss und nicht über seine Freizeit verfügen kann, als Arbeitszeit gilt. Weil das Um­kleiden in den Spitälern vorgeschrieben und im Interesse des Arbeitgebers gehrt, hat die Umkleidezeit als Arbeitszeit zu gelten.»

Elvira Wiegers, Zentralsekretärin des VPOD für den Bereich Gesundheit, stellte die Kampagne «Umkleiden ist Arbeitszeit!» in den nationalen Kontext und reihte sie ein in eine breitere Thematik. Sie hält fest: «Viele Gesundheitsberufe gelten als typisch weibliche Berufe und gehören häufig nicht zu den bestbezahlten Jobs. Gerade in diesem Kontext ist es ein doppelter Skandal, dem vorwiegend weiblichen Personal jährlich bis zu einem halben Monatslohn vorzuenthalten.»

Der VPOD fordert die Anrechnung der Umkleidezeit aber nicht nur für Spitäler, sondern für alle Betriebe und Branchen, in denen eine Umkleidepflicht besteht. Entsprechend hat der VPOD alle Städte und Gemeinden des Kantons Zürich angeschrieben, um in den kommunalen Betrieben (Alters- und Pflegeheime usw.) für die Durchsetzung des Rechts zu sorgen. Auch das Arbeitsinspektorat des Kantons Zürich und das Amt für Wirtschaft und Arbeit AWA wurden aufgefordert, ihrer Pflicht nachzukommen, die Einhaltung des Arbeitsgesetzes zu überwachen und wo nötig durchzusetzen.

Hintergrundinformation: zuerich.vpod.ch/umkleiden