Lehrpersonen schenken dem Kanton weiterhin Arbeitszeit

Von: Fabio Höhener

Vergangene Arbeitszeitstudien und die aktuelle Erfahrung mit dem neuen Berufsauftrag zeigen: Lehrpersonen und TherapeutInnen in der Volksschule arbeiten im Schnitt deutlich mehr, als ihr Pensum vorsieht. Wieviel mehr, bleibt weiterhin verborgen. Die Kantonsratsmehrheit hat heute beschlossen, auf eine Arbeitszeitstudie bei den Lehrpersonen zu verzichten.

Es ist auch ohne Studie den meisten KantonsrätInnen klar, dass die Lehrpersonen und TherapeutInnen im Schnitt zu viel arbeiten. Vielleicht lehnt eine Mehrheit genau deshalb eine Arbeitszeitstudie ab: Insgeheim ist man froh, dass die Angestellten die hohe Schulqualität auch durch zusätzliches unbezahltes Engagement gewährleisten.

Diese Haltung ist heuchlerisch, kurzsichtig und gefährlich. In den kommenden Jahren wird der Bedarf an Lehrkräften aufgrund der steigenden SchülerInnenzahlen massiv zunehmen. Gleichzeitig tut der Kanton zu wenig, um die Arbeits- und Anstellungsbedingungen attraktiv zu halten. Der neue Berufsauftrag (nBA) sollte zwar die Lehrpersonen vor der zeitlichen Überbelastung schützen, in der Praxis sorgt er jedoch für eine Mehrbelastung. Letztendlich kommt das dem Kanton, der Bevölkerung und den SchülerInnen teuer zu stehen. Gut ausgebildete und erfahrene Lehrpersonen scheiden aus gesundheitlichen Gründen oder aus Frust aus dem Schuldienst aus.

Dafür würde bereits eine gesetzeskonforme Erfassung der Arbeitszeit einen Teil des Problems lösen. Mit dem nBA gilt für die Lehrpersonen eine definierte Jahresarbeitszeit. Viele Schulen halten sich jedoch nicht daran. Einerseits wird von der Schulführung behauptet, dass die Arbeitszeit nicht erfasst werden muss, andererseits bleibt eine Erfassung ohne Konsequenzen. Positive und negative Zeitsaldi werden nicht im Folgejahr kompensiert. Die Wahrnehmung des VPOD deckt sich mit der Umfrage des VSLZH bei 200 Zürcher Schulleitungen: 90 Prozent der befragten Schulleitungen gaben an, dass sie den Zeitaufwand der Tätigkeitsbereiche teilweise oder ganz mit Pauschalen festsetzen, dass 56 Prozent der Lehrpersonen die Arbeitszeit nicht oder nur teilweise erfassen und dass bei 78 Prozent der Lehrpersonen ein positiver Arbeitszeitsaldo nicht übertragen (oder vergütet) wird.

Fabio Höhener, Gewerkschaftssekretär der Lehrpersonen beim VPOD Zürich hält diese Zahlen für empörend. «Die Fakten zeigen, dass ein kollektives und deutliches Versagen bei der Umsetzung von minimalen und zwingenden kantonalen Vorgaben besteht. Die Politik weiss es und schaut weg.»

Um das Problem des unbezahlten zeitlichen Mehraufwandes der Lehrpersonen zu lösen, muss entweder der Arbeitsaufwand reduziert oder es müssen zusätzliche Ressourcen gesprochen werden. Dafür wollen und werden die Lehrpersonen nicht auf eine Arbeitszeitstudie oder die Resultate der nBA-Evaluation warten.